Monika Knoke

 

Eckehard Zühlke

Dezember 2018

  

 

Im Gespräch mit Monika 

 

Ein Andenken

 

 

Monika Knoke ist Anfang Dezember 2018 gestorben. Sie wurde am 9.9.1941 geboren und ist 77 Jahre alt geworden. Sie sagte in der letzten Zeit oft, dass sie nicht mehr wolle, sie nicht mehr lange leben möchte, gerade seit dem ihre Freundin Marianne, mit der sie sehr lange zusammen wohnte, vor einiger Zeit verstorben ist. Sie war nun allein in der gemeinsamen zu großen Wohnung, hat Mariannes Räumlichkeiten übernommen, aber alles so belassen. Marianne und Monika waren ein gutes Team, haben sehr viel zusammen unternommen, sind viel gereist, mit Gisela nach Australien, Nordamerika, Schottland und vieles mehr. Norwegen hat die Freundinnen am meisten begeistert.

Beide waren auch sozial engagiert, besonders in der Kasseler Tafel.

 

Als ich dann vor der Beerdigung mit Gisela, der dritten guten Freundin telefoniert habe, den Hörer aufgelegt hatte, türmte sich in mir eine Trauerwolke auf, die mir die Tränen in die Augen trieb.

Ja, es ist unendlich traurig, dass Du, Monika, nicht mehr unter uns weilst und in eine andere Welt gegangen bist. Monika war Dozentin am Ev. Fröbelseminar bis 2004. Ich selbst war dort Direktor und habe in diesem Kontext Monika Knoke gut kennen- und schätzen lernen können. Ich möchte diese Hommage an Monika persönlich richten und knüpfe an unser letztes Gespräch bei uns hier auf der Terrasse in Wolfhagen an.

 

Wir sitzen draußen auf unserer Terasse bei milder Wärme, hatten uns länger nicht gesehen, aber waren sehr vertraut und sind dann nach einem Glas Sekt bei einem „Du“ gelandet. Wir waren zugewandt, sprachen über vielfältige Reiseaktivitäten, dortigen Erlebnissen und weiteren Plänen nach dem Ableben von Marianne. Dann waren wir bei früheren Zeiten, unserer besonderen gemeinsamen Zeit am Ev. Fröbelseminar und ich hatte Dir damals schon angedeutet, welche Prägekraft Dein Einsatz für Fröbels pädagogische Gedanken im Hause des Fröbelseminars und auch bei mir gehabt hast. Dafür bin ich Dir sehr dankbar.

 

Monika, Du warst nicht nur eine solidarische Freundin in Deinem „norddeutschen“ Mädelsverbund, Du hattest Ideen von einem besseren Leben für andere, die am Rand stehen, ungerecht behandelt werden und vor allem für Kinder. Ein gerechtes Herz schlägt in Dir. Du warst geformt durch eine besondere Biografie aber inhaltlich geprägt durch das Evangelische Fröbelseminar, besonders von Erika Hoffmann, die über mehr als 15 Jahr die Fröbel- und Kindheitspädagogik in Deutschland bestimmte und besonders im Fröbelseminar aktiv wirkte. Noch heute ist Dein Fröbel-Engagement auf der Homepage des Ev. Fröbelseminars zu sehen. Du gibst dort einen umfassenden, konzisen biografisch orientierten prinzipiellen Überblick über das Leben und Wirken Friedrich Fröbels und vergisst dabei auch nicht die vielen, überwiegend Frauen, die Fröbels Ideen in Welt getragen haben und stehst doch gleichzeitig in deren Reihe: „Viele humanistische und demokratisch gesinnte Pädagogen haben versucht (und tun es auch heute noch), Fröbels fortschrittliches Gedankengut und die nach diesen Vorstellungen geschaffenen Kindergärten in aller Welt zu verbreiten.“

Monika, Du bist selbst eine demokratisch gesinnte Pädagogin geworden und stehst damit in exzellenter aktueller Linie engagierter fachkompetenter Frauen.

 

In der Zeit am Fröbelseminar warst Du wie gesagt als Dozentin für Recht, Organisation und Verwaltung, Spielpädagogik und Methodik/Didaktik aktiv. Aber hattest den Blick immer auf die Studierenden, deren Lebenssituation, hast Dich  in vielen persönlichen Anliegen verständnisvoll eingebracht, Dich gekümmert und gemeinsam nach Lösungen gesucht. Du warst sehr anerkannt bei den Studierenden und im Kollegium auch gut vernetzt.

 

Die Zeit Ende der 60iger bis in die 80iger Jahre war weniger die Zeit in der Fröbels Pädagogik nachgefragt wurde. Systemkritische Vorstellungen, politisch motivierte Ansätze wie Kinderläden aber auch funktionsorientierte Kinderpädagogik prägten das Bild der Kindheitspädagogik damals und dann kam in der ersten Hälfe der 70iger Jahre der Situationsansatz, der lange Zeit die Fachdebatte in diesem Kontext in Deutschland dominierte. Es sollte demnach nach Schlüsselthemen der Kinder gefahndet werden um pädagogisch daran anzusetzen, und schließlich Autonomie, Solidarität und Kompetenz bei den Kindern zu erreichen. Später kam das einzelne Kind, dessen Rechte mehr in den Fokus der fachlichen Aufmerksamkeit und Du Monika schrittest deutlich in die Debatte des Hauses ein. In der Pisa- und Nach-Pisa  Debatte ab 2001/2002 wurdest Du deutlicher und setztest Impulse zur Fröbelpädagogik für das Evangelischen Fröbelseminar und weit darüber hinaus. Letztlich hast Du auch in mir Interesse und Motivation geweckt mit Themen wie etwa  Fröbel und Bauhaus (Gropius) aber auch die internationale Bedeutung der Fröbelpädagogik:

 

Im Jahr 2001  und 2002 ging es im Ev. Fröbelseminar um die neue Ausrichtung des Hauses. Wie wollen wir sein und was zeichnet uns in besondere Weise aus? Ich selbst als neuer Direktor, der stark durch die Studentenbewegung und die emanzipatorische Pädagogik von Paulo Freire, die Erziehung nach Auschwitz, Adorno und die Dialektik der Aufklärung, Kant, beeinflusst war, der aber schon an mehreren Hochschulen und Fachschulen aktiv Veränderungsprozesse in Richtung „lebendiges Lernen“ gesteuert und verantwortet hat, war nun herausgefordert. Wie geht das alles zusammen?

Das Kultusministerium regte seinerzeit an, sich genauer zu positionieren, die eigene Linie und Ausprägung greifbar und praktisch zu formulieren, was dann positive Konsequenzen für die Finanzierung der Ausbildungsgänge haben sollte. Über das damalige Ersatzschulfinanzierungsgesetz wären dann höhere Mittelzuweisungen für besonders geprägte Ausbildungsstätten (Waldorf, Fröbel u.a.) möglich.

Was hatten wir in an qualitativer und prägender Bildung vorzuzuweisen? In intensiven Gesprächen unter besonderer Impulssetzung von Dir, Monika, haben wir die Ausbildung deutlich nach Fröbels Ideen ausgerichtet und praktisch mit den vielen Spielmaterialen (Fröbelgaben) gestaltet. Alle DozentInnen aber auch die Erzieherinnen  hatten ab dieser Zeit in Kooperation mit der Fröbelforschungsstelle im Museum Bad Blankenburg Fortbildungen zu absolvieren und in allen Lehrveranstaltungen sollte auf Fröbel hingewiesen werden. Die Fröbelausrichtung konnte schließlich in das Leitbild (2006) nach langer Debatte aufgenommen werden und auch in unserem Lehrkindergarten wurde die Konzeption in Richtung Fröbel konkretisiert:

„Friedrich Fröbels Forderung nach Erziehung, Bildung und Pflege für jedes Kind ist für uns Auftrag und Wegweisung aus christlicher Verantwortung. Hieraus erwächst die besondere Prägung unserer Schule und unserer Kindertagesstätte.

Friedrich Fröbels ganzheitliche Sicht vom Menschen ist eine wesentliche Grundlage unseres Handelns.

Ganzheitliches Lernen mit „Kopf, Herz und Hand“ ist für uns richtungweisend. Die selbsttätige und lebenslange Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Lebensumwelt und mit sich selbst ist die Grundlage für den Erwerb von Lebenskompetenzen. Dies ist für uns Bildung im ganzheitlichen Sinn.“ (Leitsatznetz, Leitbild des Ev. Fröbelseminars)

 

„Das Ev. Fröbelseminar mit Standort in Kassel und den Schulformen Berufsfachschule für Sozialassistenz, Fachschulen für Sozialpädagogik mit dem Lehrkindergarten und der Heilpädagogik sieht es als unerlässlich an, in inhaltlichen, organisatorischen und methodisch-didaktischen Aspekten eigene Akzente zu setzen, somit eine Ausbildungsstätte mit besonderer Prägung zu sein, die wesentlich auch auf die Pädagogik Friedrich Fröbels zurückgeht und durch diese eine spezifische Begründung und Ausrichtung erfährt.“ (E. Zühlke, 2002)

 

In Orientierung an Fröbel gilt es Schüler und Studierende „zum Bewusstsein zu führen, sie zur Lebensgestaltung, zur eigenen Selbstregulierung zu veranlassen, sie damit ihrer eigenen Freiheit zu überantworten.“ „Dieses Bewusstsein, vom Guten im Menschen, verstand Fröbel aber stets als Einsicht in die Beziehungshaftigkeit aller Verhältnisse, auch die Gebundenheit der eigenen konkreten Existenz in die faktische eigene Verflochtenheit in soziale, kulturelle und religiöse Bezüge.“

In den Ausbildungsstätten des Evangelischen Fröbelseminars waren das komplette Beschäf­ti­gungsmittelsystem und die Spielgaben Fröbels vorhanden. Im Laufe der Jahre wurde es so erweitert, dass jeweils eine Lerngruppe damit arbeiten kann. Für alle Techniken Fröbels, wie gemeinsames Bauen, Arbeit mit Legetäfelchen, das Teilen und Zusammenfügen von Flächen, die Faltschule, Spiele mit Punkt und Linie, Fadengrafik und Prickeltechnik, sind die entsprechenden Materialien ausreichend verfügbar.

Im Kindergarten (heute mit Familienzentrum) des Evangelischen Fröbelseminars, dem zur Schule gehörenden Lehrkindergarten, ist Gleiches zu finden. In der Berufsfachschule wird in die Fröbel-Pädagogik, insbesondere die Spielpädagogik und die Materialien, eingeführt.

In der Fachschule für Sozialpädagogik wird die Pädagogik Fröbels in verpflichtenden Kursen über die Geschichte des Kindergartens, das Menschenbild und den ganzheitlichen Ansatz von Fröbel, u.a. auch seine Spieltheorie, vermittelt und mit den Spielgaben die Entwicklung des Bauens sowie der Bewegungsspiele u.a. aktiv und praktisch gearbeitet.

Überlegungen zur Gestaltung eines Fröbel-„Gartens“ sind offen, wurden dann später im Lehrkindergarten umgesetzt. In der Fachschule für Heilpädagogik wird das Material in seiner Bedeutung für die Behandlung und Förderung behinderter und verhaltensauffälliger Kinder erfahren und genutzt.

 

Von den Planungen her soll es ab 2003 eine berufsbegleitende Fortbildung in Zusammen­arbeit mit der Museumsleitung in Fröbels Kindergarten-Ursprungshaus, „Haus über dem Keller“, heute Museum in Bad Blankenburg und der Schule in Keilhau geben, in die auch unsere Mit­arbeiterinnen der Kindertagesstätte eingebunden werden sollen.

Innerhalb unseres Hauses werden das Lehrkräfte- und das ErzieherInnenteam des eigenen Kindergartens in der Fröbel-Pädagogik kontinuierlich fortgebildet. Aus dem Fröbelseminar heraus werden durch eine erfahrene und grundlegend ausgebildete Dozentin Veranstaltungen zur Fröbel-Pädagogik angeboten: auf Elternabenden in Tageseinrichtungen für Kinder, Fortbildungen für Erzieher/innen, Lehrer/innen und Fortbildungen für Studierende anderer Fachschulen.

Neben den didaktischen Besonderheiten, die sich unmittelbar aus der fröbelschen Spiel­pädagogik und den Beschäftigungsmitteln ergeben, wurden ebenso Lebenssituationen von Kindern und deren Umfeld hervorgehoben. So kann man die Spielpädagogik Fröbels auch als verwandt mit Situationsansatz verstehen (Heiland 1999).

In Orientierung daran wurden in unseren Ausbildungen immer wieder aktuelle Situationen  aus dem Erleben von Kindern und Familien oder auch der Lernenden (Persönlichkeitsbildung) aufgenommen, analysiert und in Projekten bearbeitet, so dass Zusammenhänge erkannt, neue verantwortliche Haltungen und Handlungen begründet werden können. Analog dem Leitsatz von Fröbel: „Lasst uns unsern Kindern leben“, ist es uns wichtig, die pädagogische Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden positiv zu gewichten und zwar möglichst in echten, d.h. lebensnahen Lernsituationen gemeinsam zu „forschen“ und nach Lösungen zu suchen.

 

Mir sind viele Szenen mit Dir, Monika in der Erinnerung: unsere Besuche in Thüringen im Fröbelmuseum, bei unseren Fachgesprächen, unendliche Fachtagungen, Durchblättern von  Fröbelmusterbüchern erster Fröbelpädagoginnen, unsere Abende in kleinen thüringischen Gasthöfen, Essen mit Klößen, wo wir gute Laune hatten und über Gott und die Welt geredet haben. Monika, Du hast hat mir bei den Gesprächen immer wieder deutlich gemacht, was Fröbel und seinen Frauen (insbsondere Bertha von Marenholtz-Bülow), die seine Ideen in die Welt brachten wollte, ihm wichtig war, warum er sich für Frauen und Kinder einsetzte. Unsere Wanderung mit Studierenden nach Keilhau, dort wo Fröbel durch das Paradies der Natur ging und sagte, die Anstalt soll „Kindergarten“ heißen, hast Du mir gezeigt. Und auch den Ort verraten, wo Fröbel sich versteckt hat, wenn wieder die Geldeintreiber kamen und Steuern oder Miete holen wollten. Du hast ganze Jahrgänge von Studierenden fröbelmäßig geprägt. Deine Idee war es, dass alle Studierenden, die im Fröbelseminar ausgebildet werden, einen intensive Fröbelschulung in Bad Blankenburg in der Fortbildungsstätte bekommen sollten…diese setzte sich dann später durch und hält bis heute. Es war Deine tiefe Überzeugung, Deine Leidenschaft, verbunden mit einer Dir typischen klaren Sprache, die so gradlinig strukturiert war, wie die Fröbelbausteine. Monika hatte ein Herz für Fröbel und mich damit berührt und angesteckt.

Deine Leidenschaft für Fröbel ist auch gut zu erkennen an einem Brief, den Du an Michael Pabst, den Bürgermeister der Stadt Bad Blankenburg geschrieben hast (Auszug 2002):

.Seit 1992 besuche ich mehrmals jährlich „Ihre“ Stadt. Ich begleite dabei Reisegruppen von unterschiedlichster Größe, die sich aus beruflichen Gründen für Friedrich Fröbel, sein Leben und sein Werk interessieren. Zu diesem Thema kommt keiner an der Stadt Bad Blankenburg vorbei. Es scheint aber nur wenigen Einwohnern bewusst zu sein, welch in Deutschland einmaligen Schatz diese Stadt beherbergt. Nichts zu klagen gibt es über die Unterbringung in der Sportschule (trotz Baumaßnahmen), dort sind alle Mitarbeiter äußerst freundlich und hilfsbereit. Unsere Probleme beginnen bereits am Bahnhof, hier gibt es keinerlei Hinweise und keine Informationsmöglichkeiten. Hat man dann die Touristeninformation gefunden, finden auch hier die Fragen nach der Erreichbarkeit anderer Wirkungsstätten (z.B. Keilhaus, Oberweißbach…) keine oder nur unvollständige Antworten. Die Kopien der Busverbindungen sind z.B. entweder unvollständig, veraltet oder es gibt keine. Hilfestellung  für anreisende Fachtouristen gibt es entweder im Fröbelmuseum oder in der Gaststätte Enders, wo wir immer äußerst freundlich bedient werden……

Sehr gefreut haben wir uns über die gelungene Restaurierung des Rathauses mit dem kleinen Museum  im Dachgeschoss. Recht dürftig finden wir, dass es im Fröbelsaal nicht einmal ein Bild des großen Pädagogen gibt. Lavendel konnten wir schon im Eingangsbereich fühlen und sehen, aber Friedrich Fröbel ist leider nicht zu sehen.“

 

In meiner Vorstellung sitzt Du immer noch auf der Terrasse hier bei uns, hörst sehr aufmerksam zu, manchmal lächelst Du etwas und zündest Dir eine weitere Zigarette ….hustest etwas. Ja, es war eine intensive schöne Zeit und Monika, auch als Du in den Ruhestand gingst, haben wir durch Dich motiviert, mit Fröbel weiter gemacht. Es wurde die Fröbelsociety geschaffen, die damals noch in Thüringen ihren Sitz hatte und inzwischen am Fröbelseminar in Kassel sitzt. Wir haben mit der Society zusammen großartigen Fachtagungen mit teilweise mehr als 200 Teilnehmerinnen durchgeführt und uns später in der Internationalen Fröbelsociety angeschlossen.

 

Die internationale Perspektive war mir zunehmend wichtig. 2006 habe ich an der Universität Cherson angeregt eine ukrainische Fröbelsociety an der Universität Cherson zu gründen und die Fröbelpädagogik, die ab 1915, nach der Revolution nicht mehr dort erlaubt war, wiederzubeleben und auch historische Forschungen zu betreiben. An der Universität wurde daraufhin ein Fröbelsaal und ein Archiv angelegt, eine Society gegründet, die an internationale Veranstaltungen teilnimmt und auch den Studiengang der Kindheitspädagogik an der Universität Cherson unterstützt.

 

Über mein Engagement beim Bundesfamilienministerium konnte ich die Fröbelpädagogik in Japan und China vertreten. Privat in Indonesien und über das deutsche Auslandsschulwesen über Fortbildungen und Fachkongresse in Spanien, Süd-, Mittel und Nordamerika. Wir vom Fröbelseminar haben dann auch intensiven Kontakt zur Fröbel Hojskolen und Dänemark  in Kombination zum Roskilde Universitätscenter Roskilde aufgebaut.

 

Für Friedrich Fröbel war das „Selbsttätig-sein“, die Praxis, von besonderer Bedeutung. Monika Knoke brachte diesen Gedanken immer wieder vor. Was bedeutet das für unser Ausbildungskonzept?

 

Die Verbindung von Lernort Schule und Lernort Praxis hat und wird sich weiterhin qualitativ verändern. Das Evangelische Fröbelseminar versteht sich konzeptionell als Gestalter und Dienstleister in der Region. An verschiedenen Stellen der Ausbildung wurde die Zusammenarbeit mit der Praxis verbessert: z.B. wurden gemeinsam Kriterien für ein ordnungsgemäßes Praktikum beraten und verabredet. Mehr nachgefragt was und wie in der Praxis gelernt wird.  Im Berufspraktikum wurden die schulischen Begleitungen regional und zeitnah organisiert. Es gibt verschiedene Arbeitsgruppen, die das Zusammenspiel von Ausbildung und Praxis an unterschiedlichen Fragen kultivieren und professionalisieren. Die ersten Rückmeldungen waren positiv.

 

Im Hause hat eine Arbeitsgruppe ein Fortbildungskonzept für die Anleitung von Praktikanten in der Praxis entwickelt. Das Konzept wurde 2003 veröffentlicht und  als Fortbildung umgesetzt. Kurze Zeit später ist daraus eine ganzen Fortbildungsabteilung entstanden.

 

Die Idee eine Praxisintegrierte Ausbildung (PiA) zu entwickeln und schließlich auch umzusetzen hat eine Wurzel somit in der Bedeutung des fröbelschen Praxisbezugs.

Monika, Du hast viel von der Geschichte des Fröbelseminar unmittelbar erlebt und bist Zeitzeugin und Initiatorin. Du kanntest  Erika Hoffmann und auch viele Frauen aus dem Ehemaligenverbund des Hauses, mit ungefähr 1000 Anekdoten. Manchmal haben wir uns vor Lachen bei Deinen Erzählungen gebogen, manchmal sind wir erstarrt, welches Leid, aber auch Engagement von den Frauen aus dem Fröbelseminar ausging. Du verkörperst selbst einen Teil der Geschichte des Hauses und hast schließlich intensiv geholfen das Archiv des Hauses zu ordnen und viele uns unbekannte Sachverhalte zu benennen und aufzuklären.

Und Du bist selbst Zeitzeugin: Du hast beim Fröbelseminar die sozialpädagogische Graduierung an der Höheren Fachschule gemacht. Kirche und Diakonie hatten Ende der 60iger Jahre kein hinreichendes bildungspolitisches Bewusstsein für die Unterstützung und Bildung von Kindern. Aus der Jugendleiterinnenausbildung wurde hier in Kassel die Sozialpädagogikstudium an der Universität und die Landeskirche gab ihre Gelder mit Unterstützung der Diakonie nach Südhessen. Die Ev. Fachhochschule entstand in Darmstadt. Im letzten Moment hast Du das Zeugnisdokumente noch erhalten. Du warst eine authentische Zeugin dieses bildungspolitischen Dilemmas.

 

Liebe Monika, ich werde an Dich denken, Dich in meinem Erinnerungsparadies erleben, beim Schreiben bist Du mir nah gewesen, als ob Du auf der Terrasse unten sitzt.

 

Eckehard

 

 

 

 

 

Deine Zeit

 

Sei du selbst. Ständig.

 

Erika – in 3 „Sätzen“

 

„Es gibt keine reinen Fakten der Erinnerung. Sie bleibt immer eine Konstruktion, ein Mosaik aus Beobachtungen, Reflexionen, Sprache, Bildern, Klängen, Reizen und Gefühlen, eine sich ständig verändernde,  instabile Collage, die sich modifiziert, in dem sich neue Teilchen an sie ansetzen, während alte abgestoßen werden ins Vergessen. Da Sprache für sich selbst nicht bürgen kann, sondern ihrem Wesen nach Erfindung ist, sind erzählte Erinnerungen ungewiss und neigen zu Märchen und Legenden.“ (Modick)

 

 

Als Mozart 1791 sein Klarinettenkonzert im November fertig geschrieben hatte, war er glücklich und zufrieden. Er ging dann etwas Billard spielen.  Es war sein letztes Werk und sein einziges Konzert für Klarinette. Er hatte es in knapp 3 Monaten für seine Freunde, die Stadlers, geschrieben, die gerne Klarinetten spielten.

Erika und ich hatten eine Vorliebe für dieses Musikstück. Sie hat mich irgendwann in tiefer Zeit der Studentenbewegung auf dieses Stück, in A-Dur verfasst, gebracht. Es lässt mich nicht los und jedes Mal, wenn ich es höre, kommt Erika, meine Mutter zu mir und wir genießen es zusammen.

Sie ist jetzt mehr als 4 Jahre nicht mehr in dieser Welt. Sie ist im August 2016 gestorben und geht ihren Weg. Musik kann tragen und mitnehmen, Musik macht sensibel und emphatisch erfasst tiefe Strukturen des emotionalen Gedächtnisses und hilft Bilder und Erinnerungen festzuhalten. Mein Gedankenparadies wird von Musik getragen und ist lebendig.

 

Am Totensonntag war ich auf dem Friedhof am Grab meiner Mutter in Schulensee und habe dort einen Stein auf ihr Grab gelegt. Alte jüdisch-christliche Tradition und habe darauf geschrieben dass wir an sie denken.  Für mich eine gute und wichtige Tradition immer wieder dorthin zu gehen und meine Trauer zu spüren und Kontakt zu ihr aufzunehmen. Diesmal war es jedoch anders: …ich überprüfe eher formell die Grabstelle, ob alles so gepflegt wurde, wie es mit dem Friedhofsgärtner vereinbart  ist, liegen die Naturplatten richtig…. ist etwas abgesackt oder der Boden uneben?

 

Die Trauer in mir war dieses Mal gar nicht so stark, es liegt in mir die Frage „was ist nun mit ihr“,  wie kann ich sie verstehen, wie will ich sie in mir tragen? Kurz nach ihrem Ableben, hatte ich mir vorgenommen und es ihr vorher auch versprochen, sie in meinem Erinnerungsparadies fest zu halten und ihr dort einen guten Ort zu geben.

 

Und dann kommt das Adagio aus Mozarts Klarinettenkonzert in mein inneres Ohr:

 

Das will ich machen, aber die Trauer- und Verlustgefühle tragen sie zwar, aber sie ist mehr und vielfältiger geworden. Gerade im Adagio erlebe ich sie in ihrer Tiefe und Sensibilität. Sie ist selbst eine gute Gitarrenspielerin gewesen, hat dazu feinstimmig gesungen und mir vieles beigebracht. Ich sehe sie im Wohnzimmer: sie singt und übt, unbefangen und frei.  

 

In meinem Paradies sind weitere für mich wichtige Menschen und Erinnerungen vorhandenen an die ich immer wieder anders (Mosaike)denken muss und es ist ein geschützter Ort. Das  Bild meiner Mutter ist nicht so richtig klar und wirft Fragen auf. Im schriftlichen Nachlass von ihr habe ich viel entdecken können, was mir neu war, was sie auch nie erzählt hat. Es fanden sich Skizzen aus der der Kinder- und Jugendzeit in den 20iger und 30iger Jahren in Bochum, aus dem Studium der Medizin in Bonn und Göttingen, der Bombennacht von 1943,   Geheimschriften hinter denen sich intime Geheimnisse verbergen, Hoffnungsträume, Zweifel und tiefe Enttäuschungen finden sich in schriftlichen Niederlegungen.

 

Warum warst du so, wie du warst? Du hast viel gezweifelt, an dir und deinem Umfeld, in schwierigsten Zeiten, dich über Wasser gehalten und die Kontenance, manchmal auch Fassade bewahrt, hast viel aushalten müssen, ohne zurückzugeben.  Wer du warst und wie kann ich dich in mein Paradies nehmen soll.

 

Analog des Klarinettenkonzertes von Mozart werde ich nach der selbst komponierten Ouverture in das Allegro einsteigen und Schlaglichter und Episoden aus dem bewegten Leben vorstellen und Einblicke gewähren. Von Dur bis Moll bewegt sich das Allegro in der Musik, so auch im Leben: vom überwältigendem Glück, heiter und fröhlich und tiefen Enttäuschungen, die kaum zu ertragen waren.

 

Im Adagio werde ich zu besinnlichen Tönen, Momenten der Nachdenklichkeit, Sensibilität und Sehnsucht und Genuss kommen, wo erkennbar wird, dass es neben dem Verhalten nach außen ein inneres Erleben gibt, das sich so gern gezeigt hätte.

 

Das Schlusskapitel soll ein Rondo werden. Hier versuche ich zu zeigen, was für typisch geworden ist, trägt  und immer wieder im manch so unverständlichen wiederkehrenden Zusammenspiel mit anderen zur Geltung kommt. Der Tanz beginnt.

 

1. Ouverture: Wenn man alles in die Mittellage versetzt, ist der Reiz einfach dahin.

 

"Du sprichst vom selben Glück
Sehnst Dich nach mehr zurück
Und Du schaust mich an
Ich schliess die Augen, um mit Dir zu sehen
Um Dich zu denken, zu verstehen"

(H. Grönemeyer)

 

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 (nur intern)

 

Prof. Dr. Bernd Haedrich

Bernd Haedrich war über Jahre hinweg mein Freund. Wir haben viel miteinander geredet, diskutiert, Strukturen geschaffen und auch etwas erreicht,  damals im Elisabethenstift in Darmstadt, oft war Dietrich Reichardt mit im Bunde. Es waren Zeiten des Aufbruchs damals in den besagten 8 Jahren bis 1993, bis Bernd in den Ruhestand ging. Wir wollten verändern, Strukturen durchbrechen, ganzheitliches lebendiges Lernen an sozialpädagogischen Ausbildungsstätten gestalten. In „Projekten“ lernen, war damals das Schlagwort. Und wir haben es gemacht, darüber geschrieben und veröffentlicht und dadurch einiges auch bundesweit in Bewegung gebracht. Bernd Haedrich hat einfach vieles, gerade weil er damals nicht nur mein Chef sondern auch Mensch und Freund war,  in mir bewegt. Eine völlig andere Vaterfigur für mich dieser Mann, ein Mensch mit dem man die Welt bewegen konnte, der offen war für neue Ideen. „Du Eckehard machst die EDV…wir brauchen alle Bücher und Zeitschriften erfasst.. zur Ausleihe.“  Es war die Zeit damals, ich hatte Lust dazu und innerhalb von knapp 2 Jahre hatten wir es geschafft. Einer der ersten modernen  Ausbildungsstätten mit Projekten, Partizipation und EDV war geschaffen und viele Interessierte kamen zu uns, um sich etwas abzuschauen. Auch den Einsatz von Bernd für das Wiederbeleben der jüdischen Geschichte des Elisabethenstifts fand ich beeindruckend. Ich war damals kurz zuvor in Israel, habe viele von dem Leid der Menschen hier in Deutschland dort in direkten Gesprächen erfahren und habe später auch in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Buchenwald mehr über einige Familien aus der Geschichte des Elisabethenstifts erfahren. Ich habe Bernds Gedenkkultur übernommen und als ich später Direktor des Fröbelseminars war, habe ich immer wieder versucht zu verdeutlichen, dass es eine Pädagogik nach Auschwitz besondere Züge der Achtung im Miteinander haben muss. Bernds tiefer Glaube und die darin spürbare Zuversicht bei ihm fand ich authentisch und sie hatte eine Strahlkraft, die nicht missionarisch sondern personengebunden überzeugend war.  Mir war klar, obwohl wir wenig über die Tiefen von Glaubensfragen gesprochen haben, was Bernd denkt, fühlt und vor allem, war ihn trägt. Er war im Glauben aufgehoben. Von daher war mir immer bewusst, dass, wenn er vorgetragen hat, jeder Satz ein Kunstwerk und glaubwürdig war -  aber wir konnten auch lustig sein und Spaß haben, oft haben wir laut und lange gelacht. Die Trauerfeier letztes Jahr im Mai 2018 mit dieser besonderen Auswahl an Musik entsprach ihm völlig. Mein Herz war berührt.  Bernd hätte bei der Feier auch vorne sitzen können. Es war eine so passende Trauerfeier, dass ich mich ihm nahe gefühlt habe. So kenne ich ihn und konnte nach Beerdigung, bei wunderschönem Wetter, etwas traurig aber auch gelassener in den Zug steigen. Bernd war mir nah, dass wollte ich nochmal spüren. Bernd, Du bleibst Unvergessen in meinem Erinnerungsparadies.